Wir wollen uns mit dem Spirituellen Weg befassen und ich werde darüber sprechen, was es für wichtige Stufen gibt, welche Aufgaben es auf jeder Stufe gibt, welche Gefahren es gibt und wie man von der einen zur anderen Stufe kommt. Vor allen Dingen möchte ich über die 2. Stufe zuerst sprechen, weil ich annehme, die Mehrheit von euch befindet sich auf dieser Stufe. Es geht um den spirituellen Weg.
Ich möchte noch eine kleine Einschränkung machen. Angenommen, ihr seid auf den Weg hierher gegangen. Ihr seid hierher gekommen und einige von euch waren noch nie vorher da. Es war etwas, das ihr nicht kennt,. Obgleich der ein oder andere vielleicht gespürt hat: ‚es kommt mir vertraut vor… .’. Vielleicht, weil er schon in einem anderen Zentrum gewesen ist mit einer ähnlichen Atmosphäre. Ich kann mich erinnern, als ich zum ersten Mal in ein Yogazentrum gekommen bin. Ich habe mich gleich zuhause gefühlt.
Auf der einen Ebene seid ihr räumlich noch nicht hier gewesen, aber, beim spirituellen Weg kommt ihr eigentlich zu etwas an, was ihr jetzt schon seid. Das ist eines der Paradoxien des spirituellen Weges. Der Weg heißt das zu werden, was man jetzt schon ist.
So könnte man die Weg-Analogie eigentlich ‚ab absurdum’ führen. Ich könnte zum Beispiel fragen: „Was müsste ich jetzt machen um auf der Bühne zu sein?“ Antwort: „Nichts! Ich sitze auf der Bühne.“ „Was muss ich machen, um ein gelbes Hemd zu tragen?“ – „Nichts! Ich habe ein gelbes Hemd an.“ – „Was muss ich machen um die unsterbliche Seele zu sein?“ – „Nichts! Ich bin die unsterbliche Seele.“ – und zwar jetzt! Das ist ein guter Trost von Anfang an. Wir können eigentlich nichts falsch machen. Auch wenn ich gesagt habe, man kann Umwege und Abwege machen; aber – wir können niemals die unsterbliche Seele verlieren! Wir können uns selbst nicht verlieren. Wir sind! Und von daher können wir vom höheren Standpunkt aus nichts Falsches machen. Es gibt vom höheren Standpunkt nicht die Gefahr, das wir zu langsam sind oder dass wir irgendwelche Fehler machen, die nicht behebbar sind. Wir sind immer das unsterbliche Selbst.
Auf einer anderen Ebene stimmt die Weganalogie natürlich trotzdem. Auch wenn ich das unsterbliche Selbst bin, es nutzt mir wenig, wenn ich es nicht weiß. Und selbst, wenn ich es intellektuell weiß, nutzt es mir wenig, wenn ich es nicht wirklich verwirklicht habe.
Angenommen, ich würde jetzt irgendwo eine Genanalyse bekommen und es sagt jemand: „Das ist ja faszinierend, du hast die genetische Ausstattung eines Klarinettenspielers.“ Die war dann immer schon da – vorausgesetzt, es gäbe ein Gen, das einen prädestinieren würde zum Klarinettespieler. Das hatte ich immer schon. Auch wenn ich jetzt erfahre, ich habe das Gen eines Klarinettenspielers – was nutzt mir das? – Wenig! Selbst wenn ich das Gen habe, dann habe ich bloß die Veranlagung. Das nutzt nur was, wenn ich tatsächlich spiele und es verwirkliche. Ich kann mir dann zwar eine Bestätigung schreiben lassen: „Hiermit bestätige ich, dass Sukadev die Veranlagung eines Klarinettenspielers hat.“ Aber weder ich noch andere haben was davon.
Ich will noch ein anderes Beispiel geben, das manche schon kennen mögen. Es steht in meinem Buch „Yogageschichten“ und manche haben Seminare besucht auf welchen es oft gebraucht wird. Es war eine der Lieblingsgeschichten von Swami Vishnu, weshalb er sie oft erzählt hat. Wie er halte auch ich sie für ganz besonders wichtig. Ein Teil aus der Geschichte ist schon bei Swami Sivananda, Swami Vivekananda (einem der Meister, die im 19. Jahrhundert die Renaissance des Yoga eingeleitet haben) und auch bei Swami Vishnu zu einem geflügeltes Wort geworden. Es ist die Geschichte von den Schafen und dem Löwen…
– Fortsetzung folgt –
Dieser Yoga und Meditation Blog-Eintrag entstammt den unbearbeiteten Niederschriften aus einem Yoga Seminar zum Thema „Der Spirituelle Weg„. Dieses Seminar fand statt bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Es wurde angeleitet von Sukadev Bretz. Dieses Seminar war auch Teil einer Yogalehrer Ausbildung. Viele Vorträge von Sukadev kannst du auch als Yoga und Meditation Video anhören – und anschauen.