Dann gibt es aber auch Schattenseiten, die man nicht so einfach leben kann und die man nicht so einfach loswerden kann. Da haben die meisten Menschen Schattenseiten, vor denen man schon Angst haben kann. Bei den einen sind das Selbstmordgedanken. Bei den anderen sind es aggressive Gedanken. Mordgedanken gegenüber anderen. Ich habe jetzt bewusst diese beiden genommen, die extrem sind. Wenn man solche Schattenseiten in sich hat – manchmal vergehen sie von selbst, wenn man Yoga macht. Manchmal vergehen sie nicht. Und man muss lernen, sich damit zu arrangieren. Diese sollte man nicht leben im Sinne von sie ausleben. Man sollte lernen, diese Schattenseiten sind in mir drin, diese Fantasien kommen vielleicht öfter mal, aber ich werde sie nicht leben. Ich bin deshalb kein schlechter Mensch. Und du kannst Gelassenheit üben – auch gegenüber deinen eigenen Schattenseiten. Du kannst lernen, mit ihnen zu leben – und feststellen, du kannst auch von deinen Schattenseiten lernen.
Hier sollte man sich auch hüten vor Überbewertung von Gedankenkraft.
Mir hat mal eine Frau gesagt – ich war auf Besuch in einem Zentrum – „Ich würde ja gern in den Ashram kommen, aber ich kann nicht.“ Da habe ich sie gefragt, warum nicht. Dann hat sie erst herum gedruckst und dann gesagt, ja, sie sei so negativ, das könne sie nicht machen. Dann habe ich weiter geforscht: „Was soll das heißen?“ – Ja, wenn sie in den Ashram käme, dann wäre die ganze Atmosphäre stören. Dann habe ich gesagt: „Überschätze dich mal nicht“. Schließlich hat sie gesagt, sie hätte jemanden umgebracht. Da habe ich gedacht: Was mache ich denn jetzt. Fällt das unter das Beichtgeheimnis, obgleich ich kein Pfarrer bin, oder gehört das zur staatsbürgerlichen Pflicht, muss ich es dann dem Staatsanwalt übergeben. Aber jetzt wollte ich es trotzdem wissen. Irgendwie ist mir dann so etwas Flapsiges herausgerutscht: „Wie hast Du es denn angestellt?“ – Manchmal rutscht einem ja das heraus, was in einer Situation gerade angebracht ist. Dann hat sie gesagt, sie hätte einen Chef gehabt, der sei ein richtiger Fiesling gewesen, und eines Morgens hätte sie gedacht: „Wenn er nur bei einem Autounfall umkommen würde“. Und am Nachmittag hat sie gehört, er ist an einem Autounfall ums Leben gekommen. – Es hat einiges an Überredungskunst gekostet, ihr klar zu machen, mit einfachen Gedanken bringt man keinen Menschen um. Wenn er so ein Fiesling war, dann haben das vermutlich viele Menschen diese Gedanken gehabt, und zudem, solche Gedanken haben nicht diese Kraft. Es war ein zufälliges Einhergehen von negativen Gedanken, die man hatte, Aggressionsgedanken, und äußeren Ereignissen. So machtvoll sind Gedanken nicht. Wir brauchen uns da kein schlechtes Gewissen zu machen.
Man sollte natürlich positive Gedanken kultivieren. Positive Gedanken entwickeln ist gut, aber wir brauchen uns kein schlechtes Gewissen zu machen, wenn wir ab und zu mal diese negativen Gedanken haben. Allerdings können wir die negativen Gedanken auf eine andere Weise umgehen. Wir können uns bewusst machen, wenn sie kommen, ist es vermutlich ein bestimmter Geisteszustand, der damit einhergeht. Und anstatt und furchtbar über die negativen Gedanken ein schlechtes Gewissen zu machen und zu überlegen, was könnte ich denn noch alles machen, um sie abzustellen, könnte man eher überlegen: Was ist sonst los? Vielleicht braucht man ein bisschen mehr Ruhe. Vielleicht sollte ich lernen, meine Aggressivität anders zu leben. Vielleicht gibt es jemanden, der Dinge tut, die nicht gut sind, und ich sollte mich dort geschickt mal zur Wehr setzen. Wie auch immer. Man kann sie als Zeichen ansehen. Wir brauchen uns nicht deshalb über uns selbst schlechte Gedanken machen, wir brauchen uns kein schlechtes Gewissen zu machen, aber wir können es als ein Zeichen sehen, irgendwo aktiv zu werden und mit der Zeit ist es sehr viel praktischer, diese destruktiven Schattenseiten als ein Anzeichen für etwas anderes zu sehen oder sie zum schlechten Gewissen führen zu lassen oder auch zu probieren, dass so etwas nie wieder auftaucht und es dann als persönliche Niederlage zu empfinden, wenn sie dann doch wieder auftauchen.
– Fortsetzung folgt –
Dieser Yoga und Meditation Blog-Eintrag entstammt den unbearbeiteten Niederschriften aus einem Yoga Seminar zum Thema „Der Spirituelle Weg„. Dieses Seminar fand statt bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Es wurde angeleitet von Sukadev Bretz. Dieses Seminar war auch Teil einer Yogalehrer Ausbildung. Viele Vorträge von Sukadev kannst du auch als Yoga und Meditation Video anhören – und anschauen.