Meister und Schüler

Wenn der Swami Vishnu uns das erzählt hat, hat er immer gesagt: But I am not self-realized, don’t try it on me. – Ich bin nicht selbstverwirklicht, bitte probiert es nicht an mir. Denn er wusste, westliche Aspiranten würden eine etwaige humorvoll gemeinte Bemerkung eventuell wörtlich nehmen.

Wenn dagegen jemand sagt, ich bin nur ein spiritueller Aspirant auf dem Weg, bin zwar schon länger auf dem Weg und habe einiges gelernt, einiges von meinem Lehrer gelernt und das will ich weiter geben, und dann stellt ihr fest, er ist nicht ganz so vollkommen, er ist auch mal niedergeschlagen, verliert auch mal die Fassung, reagiert auf Kritik nicht ganz so souverän, wie man das erwarten würde. Oder trennt sich gerade von seiner Frau, oder sonst etwas. Dann heißt das nicht, dass er deswegen ein abgrundtief schlechter Mensch wäre und man ihn nicht als Yogalehrer haben könnte.

Aber wenn der Anspruch hoch ist, dann muss auch die Messlatte hoch sein.

Und wenn der Anspruch niedriger ist, dann muss man natürlich auch gucken, das, was er lehrt, wo ist das so, dass er Instrument der Lehre ist und wo färbt er das mit seinen eigenen Unvollkommenheiten. Wo hat er ausreichend Erfahrung, um mich leiten zu können und wo hat er es vielleicht nicht und ich müsste dort selbst nachdenken, passt das für mich, was er da erzählt. Kann ja sein, dass das, was er mir rät, für ihn mal gut war und vielleicht auch für 10 andere, die er mal beraten hat, aber für mich passt es halt nicht. Oder vielleicht versteht er sogar etwas nicht ganz richtig. So müssen wir selbst schauen. Yoga will uns letztlich zur Freiheit führen. Aber nicht zu einer falsch verstandenen Freiheit, wo man einfach macht was man will, sondern zu einer Freiheit von allen Beschränkungen und Identifikationen.

 

  1. Nächstes ist auch noch: Kein essentieller Unterschied zwischen Meister und Schüler.

Also der Meister sagt nicht, ich bin der einzig Auserwählte und ihr seid alle Dummköpfe. Schon Jesus hat seinen Jüngern gesagt: Seid vollkommen, wie Euer Vater im Himmel vollkommen ist. – Wenn der Schüler vollkommen wird, wird er wie sein Meister. Selbst Jesus, Sohn Gottes, hat seinen Schülern gesagt, „werdet wie der Meister“ und da sie ihn als Meister angesehen haben, hat er ihnen eigentlich gesagt, werdet so wie ich. Klingt fast gotteslästerlich, wenn man das so sagt, in der heutigen christlichen Tradition, aber so hat es Jesus gesagt.

Wenn der Meister dagegen sagt, nur er ist der Große, dann seid Vorsichtig.

 

  1. Schüler muss selbst etwas tun

Also wenn ein Meister sagt, ich führe Dich zur Erleuchtung, Du brauchst nichts zu machen, ich mache alles – vielleicht, überschreib mir Dein Geld, das reicht schon aus – das ist meistens indirekt daran gekoppelt – dann stimmt etwas nicht. Zwar ist es so, dass, wenn man die Erleuchtung erfährt, dann fühlt man das als Gnadengeschenk. Und schon Vorerfahrungen. Mir ist noch keiner begegnet, der gesagt hat, ich habe gestern eine ganz tiefe Erleuchtungserfahrung in der Meditation gehabt, die habe ich mir aber richtig hart erarbeitet und verdient. Es wird immer als ein Gnadengeschenk erfahren. Und trotzdem müssen wir etwas tun.

Selbst die evangelischen Christen, die viel Wert darauf legen – und wenn man in Dialog tritt mit evangelischen Pfarrern, wird man oft darauf gestoßen, ihre Hauptkritik ist: Die Yogis glauben, sie können sich die Erleuchtung erarbeiten – Werksgerechtigkeit – währenddessen wir Christen gehen davon aus, Christus ist für uns gestorben und hat unsere Sünden vergeben und sowie wir daran glauben, dann sind wir auch erlöst. Gut, aber da bleibt auch etwas, was man tun muss: Wir müssen daran glauben. Und wie kann man lernen, daran zu glauben, jetzt in protestantischer Spiritualität? Wir müssen lernen, die Schriften zu lesen, in die Kirche zu gehen, zu beten, an den Sakramenten teilzuhaben, und auf diese Weise können wir den Heiligen Geist wirken lassen, der gibt uns dann den Glauben und so kommen wir zur Befreiung. Ist letztlich auch spirituelle Praxis.

Also, wir müssen selbst etwas tun und dann können wir dorthin kommen.

– Fortsetzung folgt –

Dieser Yoga und Meditation Blog-Eintrag entstammt den unbearbeiteten Niederschriften aus einem Yoga Seminar zum Thema „Der Spirituelle Weg„. Dieses Seminar fand statt bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Es wurde angeleitet von Sukadev Bretz. Dieses Seminar war auch Teil einer Yogalehrer Ausbildung. Viele Vorträge von Sukadev kannst du auch als Yoga und Meditation Video anhören – und anschauen.

Auf dem spirituellen Weg lernen wir reine Freuden zu entwickeln

Oder sattwiges Essen – da habe ich in unserem letzten Vortrag von gesprochen. Man freut sich drauf, dass man etwas Gutes hat. Es ist gleichzeitig gesund. Es schmeckt während man es isst und nachher hat man durch das Essen Prana bekommen. Das ist also eine sattwige Freude. Gut – und wie es mit einem Stückchen Schokolade ist? Es wird einen vermutlich nachher nicht in Gift hinein stürzen. Die Übergänge sind also durchaus auch fließend.

Dann gibt es die tamasigen Freuden. Die tamasigen Freuden sind Gift am Anfang und Gift am Ende. Sie entstehen durch Verblendung und Täuschung. Dazu gehören zum Beispiel die verschiedenen Süchte. Jemand, der beispielsweise Zigarettensüchtig ist, dem schmeckt vielleicht die Zigarette gar nicht. Er denkt mit Schrecken daran, dass er vielleicht demnächst eine rauchen muss. Es ist Horror, wenn er sie raucht und er fühlt sich nachher auch schlecht. Das sind die tamasigen, nicht wirkliche Freuden.

 

Und so ist der spirituelle Weg auch, dass wir lernen, sattwige Freuden zu entwickeln. Langsam geschickte Mittel zu entwickeln, dass wir nicht mehr von tamasigen, nicht wirklichen Freuden abhängig sind und dass wir die rajassigen Freuden um etwas ändern, so dass sie zu sattwigen Freuden werden.

Heute ist Sonntag. Gestern war? Gestern war Samstag! Kennt ihr den Unterschied zwischen Samstag und Sonntag? Es gibt verschiedene. Ein Unterschied ist, es ist einen Tag näher am Tod. Das klingt jetzt nicht sehr positiv. Swami Vishnu hat das gerne zu Anfang von Yogalehrer-Ausbildungen gemacht. Er hat gefragt: „What day ist today? Today is Sunday. What day was yesterday? Saturday. What is the different between Saturday and Sunday? One day clother to death.“ Das haben wir alle vergessen, oder? Wir denken immer der Tod ist für andere. Wenn man irgendwo im Fernsehen hört: Massenkarambolage auf der A 258. (Die gibt es gar nicht. Nicht, dass ihr Angst kriegt, dass ich jetzt irgendwas erzähle.) Fünf Leute tot. Da denkt man immer: „Irgendwie abstrakt dieser Tod.“ Aber der Tod ist nicht abstrakt, er ist eher konkret. Jeden Tag sterben Menschen. Wir wissen nicht, ob wir heute Nachmittag noch leben.

 

 

Die Eifel ist Vulkangebiet. Der nächste Vulkanausbruch ist überfällig. Ich glaube, dessen ist sich niemand wirklich bewusst, denn, wer alles in der Eifel dort wohnt … . In der Eifel gab es alle paar Tausend Jahre einen Vulkanausbruch. Eines der großen Rätsel der Geologie ist, warum es dort jetzt seit den letzten paar Tausend Jahren keinen größeren Vulkanausbruch gab. Es könnte sein, dass der Vulkan heute noch explodiert und dass wir am Nachmittag noch in dem Ascheregen ersticken. Das ist nicht so unrealistisch. Wir denken immer Katastrophen geschehen anderswo.

Noch schlimmer als selbst zu sterben ist vielleicht, wenn ein Familienmitglied stirbt. Es gab mal einen Sennmeister, der wurde gebeten auf die Taufe eines Kindes zu gehen und dabei einen Segen auszusprechen. Der Sennmeister kam und sagte: „Großvater tot, Vater tot, Kind tot.“ Alle waren entsetzt: „Aber Meister, was haben wir gemacht, dass du uns so verfluchst?“ sagte der Meister: „Ich spreche euch nur einen großen Segen aus. Großvater tot, Vater tot, Kind tot.“ Die Familie war noch entsetzter. Sagt der Meister: „Das Schlimmste, was einem Menschen auf der Welt passieren kann ist, dass das eigene Kind stirbt. Der größte Segen, den es geben kann ist, wenn die Generationen in der richtigen Reihenfolge sterben. Das alle sterben ist sicher. Meinetwegen möge erst der Großvater sterben, dann erst der Vater und dann der Sohn.“ Das ist ein großer Segen. Das ist nicht selbstverständlich. Gut, in früheren Zeiten, wo die Menschen typischerweise zehn bis fünfzehn Kinder hatten, von denen nur zwei das Erwachsenenalter erreicht haben, war es eher normal, dass die Eltern die Mehrheit ihrer Kinder verloren haben.

– Fortsetzung folgt –

Dieser Yoga und Meditation Blog-Eintrag entstammt den unbearbeiteten Niederschriften aus einem Yoga Seminar zum Thema „Der Spirituelle Weg„. Dieses Seminar fand statt bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Es wurde angeleitet von Sukadev Bretz. Dieses Seminar war auch Teil einer Yogalehrer Ausbildung. Viele Vorträge von Sukadev kannst du auch als Yoga und Meditation Video anhören – und anschauen.